Versteckt und entscheidend: Die Rolle des Verteilnetzes in der Energiewende

Damit die Energiewende gelingt, muss neben dem Zubau der erneuerbaren Energien insbesondere auch das Stromnetz aus- und umgebaut werden. Der Bundesrat hat zur Beschleunigung des Netzausbaus eine Vorlage an das Parlament überwiesen. Der sogenannte Netzexpress geht in die richtige Richtung, berücksichtigt das Verteilnetz aber noch zu wenig.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist überall sichtbar. In der ganzen Schweiz glänzen auf immer mehr Dächern schwarzblaue Photovoltaik-Panels. Aktuell konzentriert sich der Zubau nämlich hauptsächlich auf die dezentrale Solarproduktion. Total waren Ende 2024 30'046 PV-Anlagen an das Verteilnetz der BKW angeschlossen, was eine gesamte installierte Leistung von 650 MW ergibt – oder fast zwei Mal das Kernkraftwerk Mühleberg. Die Energiewende ist also in vollem Gang.

Im Jahr 2024 wurden allein im Verteilnetz der BKW 5’946 Photovoltaikanlagen angeschlossen.

Das Verteilnetz muss sich mit dem Solarausbau weiterentwickeln

Doch mit dem Solarboom allein ist die Energiewende nicht geschafft. Neben der Stromproduktion rücken auch andere Herausforderungen zunehmend in den Fokus, namentlich der Um- und Ausbau der Netzinfrastruktur. Zusätzlich zum Übertragungsnetz muss auch das Verteilnetz weiterentwickelt und verstärkt werden, weil praktisch alle PV-Anlagen, E-Ladestationen und Wärmepumpen ans Verteilnetz angeschlossen werden (Siehe untenstehende Grafik für einen Überblick über die  Netzebenen). Die unteren Netzebenen sind weitaus versteckter als die Stromproduktionsanlagen und das Übertragungsnetz. Die Stromkabel in den Quartieren sind oft unterirdisch verlegt, die Trafostationen und Verteilkabinen sind hinter verschlossenen Türen. Tagtäglich gehen wir an den unauffälligen Betonwürfeln vorbei, die in Garagen, neben Veloparkplätzen und am Strassenrand stehen und sich unserer Beachtung entziehen. Dabei spielen sie eine entscheidende Rolle im Umbau unseres Stromsystems. 

Verteilkabinen befinden sich überall in den Quartieren. Der Blick hinter ihre verschlossenen Türen bleibt aber meistens verborgen.
Das Stromnetz in der Schweiz besteht aus sieben Netzebenen. Netzebenen eins und zwei gehören zum Übertragungsnetz, Netzebenen drei bis sieben zum Verteilnetz.

Die Energiewende beginnt im Quartier

Der Zubau von PV-Anlagen verändert den Stromfluss im Stromnetz. Anders als in der alten Energiewelt fliesst dieser nicht mehr nur von zentralen Kraftwerken hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern auch zurück. Zusammen mit einem erhöhten Strombezug durch Wärmepumpen und E-Ladestationen führen die PV-Anlagen dazu, dass das Stromnetz höhere Leistungsflüsse transportieren muss. Deshalb ist bereits heute ein starker Aus- und Umbau auf allen Netzebenen notwendig, vom Stromnetz im Quartier, über das Hochspannungsnetz bis hin zum grossen Übertragungsnetz. «Während die Bewilligungsverfahren für die Produktionsanlagen beschleunigt werden, fehlt dies beim Stromnetz», erklärt Andreas Ebner, Leiter Netzplanung und Projekte der BKW. Dies kann dazu führen, dass beispielsweise eine PV-Anlage bewilligt wird, die für den Energietransport nötige Netzverstärkung oder Trafostation jedoch nicht. Im schlimmsten Fall ist es im entsprechenden Quartier dadurch nicht möglich, diese und weitere Photovoltaikanlagen anzuschliessen.

Für die Energiewende braucht es neue Trafostationen und Leitungen

Das Bundesamt für Energie rechnet damit, dass die jährlichen Investitionen ins Stromnetz um 70 Prozent steigen werden (BFE Verteilnetzstudie 2022). Gemäss den auf eigenen Netzdaten beruhenden Analysen der BKW fällt in ihrem Netz der grösste Anteil der nötigen Investitionen im (ländlichen) Mittel- und Niederspannungsnetz an. Hier müssen bestehende Trafostationen aufgerüstet, zusätzlich gebaut und mittels Leitungen in das bestehende Stromnetz integriert werden. Dies ist nicht nur eine finanzielle, sondern vielmehr auch eine raumplanerische und administrative Herausforderung. Zwar sind die Trafostationen mit jeweils ca. 10 Quadratmetern verhältnismässig klein, aber sie müssen dort gebaut werden, wo der Strom verteilt und verbraucht bzw. produziert wird. Die Standortsuche und Leitungsführung gestalten sich zunehmend schwieriger. Auch die Bewilligungen für die notwendige Verbindung ans Stromnetz sind langwierig. 

Zu den heute bestehenden 6000 Trafostationen im Netz der BKW müssen bis 2050 rund 2000 zusätzliche Trafostationen gebaut und mittels Leitungen in das bestehende Stromnetz integriert werden.
«Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende bedarf es zusätzlicher Trafostationen. Obschon eine Trafostation nur rund 10 Quadratmeter Fläche erfordert, gestaltet sich deren Standortfindung und Bewilligung zunehmend schwieriger.»
Andreas Ebner, Leiter Netzplanung und Projekte und Mitglied der Geschäftsleitung Power Grid der BKW

Was sind eigentlich Trafostationen?

Trafostationen sind das Herzstück des lokalen Stromnetzes. Sie transformieren die Spannung, beinhalten eine grosse Steckerleiste, woran mehrere Leitungen angeschlossen werden und Sicherungselemente. Trafostationen sind nötig, um den Strom von verschiedenen Quellen sicher in die einzelnen Haushalte zu verteilen. Aus physikalischen Gründen ist der Versorgungsradius von Trafostationen limitiert. Das bedeutet, dass sie in der Nähe der Verbraucherinnen und Verbrauchern bzw. Erzeugerinnen und Erzeugern gebaut werden müssen. Je mehr PV-Anlagen, Wärmepumpen und E-Ladestationen an das Stromnetz angeschlossen werden, desto mehr Trafostationen sind nötig, um den produzierten Strom aufnehmen und verteilen zu können.

Der Netzexpress geht in die richtige Richtung, greift aber zu kurz

Den Ausbau der Stromnetze zu vereinfachen und zu beschleunigen ist das Ziel der Revision des Elektrizitätsgesetzes. Die Botschaft zu diesem sogenannten «Netzexpress» hat der Bundesrat am 21. Mai 2025 verabschiedet. Die BKW unterstützt das Vorhaben ausdrücklich und begrüsst die geplante Beschleunigung im Übertragungsnetz als wichtigen und richtigen Schritt. Ebenso befürwortet die BKW die Neuregelung für die vereinfachte Standortfindung bei Trafostationen ausserhalb der Bauzone und die beschleunigte Differenzbereinigung im Plangenehmigungsverfahren bei widersprüchlichen Positionen unter Behörden.

Dies ist aber nur ein kleiner Teil der Lösung. Damit die vorgeschlagenen Beschleunigungen im Netzausbau ihre  Wirkung voll entfalten können, muss die gesamte Netzinfrastruktur beachtet werden. Die Leitungen zwischen den Trafostationen und das Hochspannungsnetz werden in der Vorlage zu wenig berücksichtigt. Um die Energiewende zu schaffen, muss der Netzausbau mit der gleichen Priorität und Konsequenz vorangetrieben werden wie der Ausbau der Stromproduktion – und das über alle Netzebenen hinweg.  

Beim Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion muss das Verteilnetz stets mitgedacht werden.

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Kommentare (1)

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  • Vielen Dank für die übersichtliche und klare Darstellung der aktuellen Herausforderungen bezüglich Ausbau des Verteilnetzes. Gute Kommunikation schafft Vertrauen bei allen Beteiligten und ist der Zusammenarbeit sehr förderlich!