Trading Floor der BKW - Strom schläft nie

Auf dem Trading Floor der BKW am Hauptsitz in Bern entscheiden Händlerinnen und Händler in Sekunden über Millionenwerte. Mit Daten, Modellen und Intuition handeln sie mit Strom, sichern Risiken ab und sorgen dafür, dass das Netz stabil bleibt – rund um die Uhr.

Montagmorgen, 8.30 Uhr, Hauptsitz Bern, HS2, vierter Stock. Die Türen zum Trading Floor öffnen sich nur mit einem speziellen Badge. Dahinter: viele Bildschirme, eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre. Kein hektisches Durcheinander, wie man es aus Börsenfilmen kennt. Stattdessen tippen die Händlerinnen und Händler konzentriert, scrollen durch Diagramme, verfolgen Kurven und Nachrichtenströme. Wer hier arbeitet, entscheidet in Sekunden über Millionenwerte. Und trotzdem bleiben die Mitarbeitenden ruhig.

«Der Handel ist sehr operativ, ständig passiert etwas Neues», sagt Olivier Crevoiserat, Head of Commodity Trading. «Jeder operative Fehler – sei es durch den Menschen oder das Programm – kostet am Ende Geld. Aber genau das macht den Reiz aus.» Seit fast 19 Jahren ist er bei der BKW. Was ihn täglich fasziniert? «Probleme finde ich cool. Denn dann kann man Lösungen erarbeiten.»

Früh aufstehen für den Markt

Während draussen die Stadt Bern erst erwacht, herrscht hier schon seit Stunden Hochbetrieb. Für den Day-Ahead-Handel beginnen viele bereits um 6.30 Uhr im Homeoffice mit Analysen. «Heute haben wir die Resultate der Analyse um 7.50 Uhr verschickt. Das ist schon relativ spät», sagt Crevoiserat. Um 8.30 Uhr folgt das Morgenmeeting, an dem auch ein Meteorologe spricht. Denn Wetterprognosen sind entscheidend für den Strompreis: Wie viel Wind bläst in Norddeutschland? Scheint in Spanien die Sonne? Trader brauchen Fokus. «Darum schauen wir, dass unsere Kalender so leer wie möglich sind. Das ist eine Kunst», sagt Crevoiserat. Er hat einst Physik studiert und einen Master in Angewandter Mathematik. Also ein Zahlenmensch. «Es kann aber auch jemand ein guter Händler sein, der mathematisch nicht so stark ist», betont er. Wichtig sei auch Intuition. Dazu später gleich mehr.

Doch zuerst: Wie funktioniert eigentlich der Stromhandel? Produzenten, Händler und Versorger kaufen und verkaufen Strom an Börsen oder direkt untereinan der – Tage, Wochen oder Jahre im Voraus. Das Ziel: Angebot und Nachfrage ausgleichen und Risiken absichern. «Manchmal hat man zu viel Strom, manchmal zu wenig», erklärt Olivier Crevoiserat. Am Ende treiben die Preise die Entscheidungen. Und die eigentliche Existenzberechtigung des Handels sei die Bewirtschaftung des eigenen Kraftwerkparks.

Konzentration und Präzision: Auf dem Trading Floor der BKW am Hauptsitz in Bern werden Entscheidungen getroffen, die in Sekunden Millionenwerte bewegen. Fotos: Severin Jakob

Zwischen Risiko und Intuition

Einer, der die Dynamik des Stromhandels besonders mag, ist Pietro Sirotti. Der 31-jährige Energy Trader aus Italien ist seit Anfang 2021 bei der BKW tätig, zuerst im Intraday-Handel, heute ist er als Short-Time-Trader beschäftigt. Sirotti ist locker gekleidet, kommt jeweils mit dem Velo zur Arbeit. «Wir starten früh am Morgen, bis 12.45 Uhr müssen wir handeln. Dann kommt die Lieferung – das ist der beste Moment des Jobs. Man sieht sofort, ob man richtig entschieden hat.» Der Reiz für ihn: die Mischung aus Zahlen, Modellen und Bauchgefühl. «Wir haben alle die gleichen Daten, aber wir interpretieren sie unterschiedlich. Das macht den Job spannend», sagt Sirotti. Logisches Denken und Intuition greifen ineinander – manchmal entscheidet der Markt gegen die Modelle, manchmal bestätigt er sie. «Das unmittelbare Feedback motiviert mich. Man weiss sofort, ob man richtig lag – oder nicht.» Pietro Sirotti ist tiefenentspannt. «Ob man gestresst oder relaxed ist, hängt von der Persönlichkeit ab», sagt er. Was aber bei der Arbeit helfe, sei Selbstsicherheit. Sein Motto: «Ich mache das Richtige.»

Teamwork unter Strom: Mark Commerford (links) und Pietro Sirotti teilen die Leidenschaft für den Strommarkt und seine Dynamik. (Foto: Albiana Selmani)

24 Stunden, 7 Tage die Woche

Kurze Pause bei einem Kaffee in der Küche im vierten Stock: Auf der Dachterrasse sieht man zwei Trader im Gespräch bei einer Zigarette. Dazwischen spricht Olivier Crevoiserat über das Risiko, das man beim Trading eingeht. «Man muss Strom nicht im Voraus verkaufen, aber es mindert das Risiko.» Gerade bei erneuerbaren Energien seien Prognosen nie perfekt. «Da braucht es Modelle – und ein gutes Gespür für den Markt.»

Mit Strom gehandelt wird im sogenannten Intraday auch in der Nacht. «Die Energiepreise schlafen nicht – also tun wir es auch nicht», sagt Pietro Sirotti und lacht. Tatsächlich brennt im vierten Stock des HS2 in der Nacht immer Licht. Der Trading Floor ist 24 Stunden, 7 Tage die Woche in Betrieb. Und die Arbeit reicht dabei weit über Strom hinaus: Es geht um Flexibilität von Kraftwerken, um Systemstabilität für Swissgrid und um die Frage, wie erneuerbare Energien in ein verlässliches Netz eingebettet werden können. Wasser, Wind, Sonne, Batterien – alles hat seinen Wert und seinen Preis.

Zwischen Ruhe und dem Puls der Märkte

Wer über den Trading Floor geht, spürt beides zugleich: einerseits die Ruhe der konzentrierten Arbeit, andererseits den Puls globaler Märkte, der in jeder Sekunde Entscheidungen fordert. Für Mark Commerford macht genau das den Reiz aus: «Es ist ein sehr spannender Bereich. Viele Faktoren wirken gleichzeitig: Mathematik, Risiko, Politik, Wetter, Technologie. Man muss immer bereit sein, mit dem Unerwarteten umzugehen.» Mark Commerford arbeitet seit etwas mehr als einem Jahr als Head of Structuring & Pricing bei der BKW. Der 38-Jährige ist in den USA aufgewachsen, spricht aber fliessend Deutsch. Studiert hat er Maschinenbau und Energy Science and Technology an der ETH. Vor seinem Engagement bei der BKW hat er in der Energiebranche und in der Umweltberatung gearbeitet. Commerford wohnt in der Nähe von Zürich und schätzt es deshalb, dass es in Zürich seit Sommer 2025 Büroräumlichkeiten der BKW gibt. «Ich bin ein- bis zweimal pro Woche in Bern.» Das Team sei international geprägt. Es werde immer mehr Englisch gesprochen. Aber egal wo seine Kolleginnen und Kollegen gerade arbeiten, ob in Bern, Zürich, Lausanne oder Singapur, wo es seit Herbst auch ein Büro gibt: «Alle verbindet die gleiche Aufgabe: Daten und Analysen in Entscheidungen zu verwandeln, die Wirkung zeigen.» Commerford selbst ist im Bereich der langfristigen Stromabnahmeverträge tätig, den sogenannten Power Purchase Agreements (PPAs). Ein Geschäft, das für die BKW immer wichtiger wird.

Analytischer Blick: Mark Commerford verbindet Zahlen mit Strategie und Marktgespür.
24 Stunden, sieben Tage: Im Trading-Team der BKW schläft der Markt nie – und die Energie schon gar nicht.

«Langweilig wird es nie»

Die Mitarbeitenden auf dem Trading Floor sind sich einig: Ihr Arbeitsplatz fordert. Aber er begeistert auch. «Es ist nie langweilig», sagt Olivier Crevoiserat. «Ob geopolitische Krisen, Wetterextreme oder neue Technologien: Stän­dig passiert etwas, das den Markt bewegt. Und wir entwickeln laufend neue Werkzeuge, um damit umzugehen.»

Beim Hinausgehen durch die gesicherten Türen fällt noch einmal der Blick auf die Reihen von Bildschirmen. Zum Teil sitzen die Mitarbeitenden vor sechs Monitoren, wo Zahlen und Diagramme aufblinken. Alles wirkt ruhig – und doch weiss man: Hier im vierten Stock wird in jeder Minute Zukunft gehandelt.

Unterschiedliche Profile – ein gemeinsames Ziel

Auf dem Trading Floor treffen viele verschiedene Persönlichkeiten und Kulturen aufeinander. Da sind die Analystinnen, die Daten in komplexe Modelle verwandeln. Ohne sie gäbe es keine Grundlage für Entscheidungen. Daneben die Bilanzgruppenmanager, die sicherstellen, dass geplante Einspei-sungen und Auslieferungen im Netz jederzeit ausgeglichen sind – oft unter enormem Zeitdruck. Dann die Trader, die je nach Zeithorizont agieren: von Pietro Sirotti, der kurzfristig auf Wetterumschwünge und Preisschwankungen reagiert, bis zu Mark Commerford, der langfristige Verträge über viele Jahre kalkuliert (mehr zu Pietro Sirotti und Mark Commerford im Haupttext oben). Und nicht zuletzt die Asset-Manager, die mit strategischem Blick planen, wie sich ein flexibles Kraftwerk in drei oder fünf Jahren optimal einsetzen lässt.

Artikel aus dem Mitarbeitendenmagazin

Die Reportage «Strom schläft nie» stammt aus der aktuellen Ausgabe des Mitarbeitendenmagazins «Inmotion». Die gesamte Ausgabe finden Sie unter diesem Link.

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